Dem IQNA-Bericht zufolge gehört die islamische Finanzdienstleistungsbranche zu den Wirtschaftssektoren, die in den letzten Jahren aufgrund der Zunahme des Anteils der muslimischen Bevölkerung im Westen die Aufmerksamkeit der Wirtschaftssysteme in westlichen Ländern auf sich gezogen hat. Entgegen der landläufigen Meinung nutzen nicht ausschließlich die muslimischen Kunden die Dienste von Banken und Finanzinstituten, die nach islamischen Grundsätzen arbeiten, sondern auch einige Nicht-Muslime interessieren sich aus bestimmten Gründen für die Angebote der islamischen Finanzdienstleister (z.B. moralische Investitionen, das Verbot der Investition in Glücksspiel und Alkohol sowie das Verbot der Zinsleihe (Riba)).
Obwohl islamische Finanzinstitute und Banken insgesamt erfolgreich waren, stoßen die Aktivitäten dieser Unternehmen und Finanzinstitute immer wieder auf Schwierigkeiten. Die mangelnde Vertrautheit mit den Dienstleistungen der islamischen Finanzinstitute, insbesondere in westlichen Ländern, und die Kompliziertheit der Regeln des islamischen Bankwesens im Vergleich zum traditionellen Bankwesen haben dazu geführt, dass das Wachstum dieses Finanzsystems in der Welt mit besonderen Problemen konfrontiert wird.
Professor Muhammed-Shahid Ebrahim hat seinen Doktortitel in Betriebswirtschaft an der Southern Illinois University erhalten und ein Masterstudium mit dem Master of Business Administration (MBA) an der University of Wisconsin-Madison abgeschlossen. Derzeit arbeitet er als Universitätsdozent am Institut für Finanzwissenschaft der Durham University. In einem Interview mit IQNA sprach er über die aktuelle Situation des islamischen Finanzwesens in der Welt.
Die Frage, warum sich auch Nicht-Muslime für die Angebote der islamischen Finanzdienstleister interessieren, beantwortete der Dozent der Durham University wie folgt: „Kunden, die sich für die Dienste der islamischen Finanzinstitute interessieren, sind diejenigen, die das Vorhandensein von Zinsleihe (Riba) im Einzelhandel enttäuschend finden. Daher kann man auf den westlichen Kapitalmärkten durch Investition in „Halal-Aktien“von der Zinsleihe Abstand nehmen.“
Er bezeichnete die Armutsbekämpfung als die größte positive Eigenschaft der islamischen Finanzdienstleistungen und erklärte: „Ich bin der Meinung, dass islamische Banken ihre Finanzressourcen stärken müssen, um Armut in der islamischen Welt zu reduzieren. Das ist das wichtigste Merkmal der islamischen Finanzdienstleistung. Der Idschtihad unserer verehrten Gelehrten hat jedoch noch nicht den Punkt erreicht, dass er in dieser Hinsicht hilfreich sein kann und den armen Muslimen zu der Würde verhilft, die ihnen gebührt.“
Er betonte: „Ich bin der Ansicht, dass der Idschtihad unserer angesehenen Gelehrten nicht aktuell ist und neu überdacht werden muss.“
Er bezeichnete das Fehlen von aktualisierten Gutachten der Rechtsgelehrten oder Muftis als die größte Herausforderung für die islamische Finanzdienstleistungsbranche in den letzten Jahren und sagte: „Ich interessiere mich sehr für das islamische Finanzwesen, aber wir haben in diesem Bereich noch keine gute Position erreicht, weil der Idschtihad unserer verehrten Gelehrten nicht aktualisiert worden ist und den Zielen der Scharia widerspricht.“
Ebrahim kritisierte das Vorgehen der Islamischen Entwicklungsbank, indem er sagte: „Ich interessiere mich nicht für die Islamische Entwicklungsbank, weil die dort tätigen Forscher keine besondere Leistung erbracht haben. Ich bezweifle auch, ob die Saudis, die den größten Anteil an der Bank haben, ihren Forschungsexperten erlauben werden, ein System zu entwickeln, das sich vom vorherrschenden System der Zinsleihe (Riba) unterscheidet.“
Dieser Dozent der Durham University sagte über die Zukunft der islamischen Finanzdienstleistungen Folgendes: „Islamische Finanzdienstleistungen können erst dann zum Fortschritt der islamischen Welt beitragen, wenn der Idschtihad aktualisiert wird und den Zielen der Scharia entspricht. Diese Ziele des islamischen Rechts können auch die islamische Umma von den engstirnigen Ansichten der Sekten befreien und zur ealisierung des Friedens und Wirtschaftswachstums in der islamischen Welt führen.“